Schweizer Forschung braucht Europa

Horizon Europe, das nächste europäische Forschungsrahmenprogramm, beginnt 2021. SNF-Direktorin Angelika Kalt über seine Bedeutung für unser Land.

Die Schweizer Forschung ist international führend. Ist es überhaupt wichtig, dass sie sich an Horizon Europe beteiligen kann?

Ja, Horizon Europe wird die Zusammenarbeit von Forschungsgruppen aus mehreren Ländern fördern, unter anderem zu globalen Herausforderungen wie Gesundheit oder Klimawandel. Das Programm unterstützt auch die Entwicklung und Vernetzung von Forschungsinfrastrukturen. Zudem hat es einen Schwerpunkt Innovation, der vor allem KMU und Start-ups Chancen eröffnet. Dank Stipendien erhalten Forschende die Möglichkeit, zeitweise im Ausland zu arbeiten. Und: Bei Horizon Europe messen sich Schweizer Forschende mit den Besten in Europa. Dieser Wettbewerb steigert die Qualität in hohem Masse.

Sollte das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU nicht zustande kommen, wäre dann die Beteiligung an Horizon Europe gefährdet?

Das Rahmenabkommen hat keine direkte Verbindung mit Horizon Europe; gravierende Folgen wären trotzdem zu erwarten. Dies hat sich nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative 2014 gezeigt.

Was ist damals geschehen?

Die EU liess die Schweiz nicht beim Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 mitmachen, das 2014 begann. Im Laufe des Jahres 2014 konnte die Schweiz eine Teilassoziierung erwirken. Seit 2017 ist sie wieder voll assoziiert. Aber der Teilausschluss hat unserem Forschungsplatz geschadet.

Inwiefern?

Verglichen mit dem Vorgängerprogramm von Horizon 2020 ist die Schweizer Beteiligung an Projekten bis März 2018 von 3,2 auf 2,4 % zurückgegangen. Die finanziellen Beiträge sanken von 4,3 auf 3,5 %. Weniger Forschende in der Schweiz erhielten eine Einladung, in Netzwerken mitzuarbeiten.

Aber der Bund hat Ersatzmassnahmen ergriffen?

Ja, er hat die Kosten von Schweizer Beteiligungen an europäischen Projekten übernommen. Die Rechtsunsicherheit hielt jedoch manche Forschende in Europa von einer Kooperation ab. Bei einem erneuten Ausschluss dürfte sich dies wiederholen.

Könnte nicht der SNF zum Ausgleich seine Förderung ausbauen?

Das haben wir 2014 getan. Solche Massnahmen sind jedoch nur eine kurzfristige Notlösung. Die Zusammenarbeit und den Wettbewerb mit Europa können wir nicht durch nationale Instrumente ersetzen. Die SNF-Förderung und die europäische Förderung sind beide nötig: Ohne eine starke nationale Förderung wäre die Schweizer Forschung weniger wettbewerbsfähig. Ohne die europäische Förderung würde ihr ein Teil der internationalen Vernetzung und der Qualitätsmassstäbe fehlen.

Die Schweizer Forschung braucht Europa. Und umgekehrt?

Will sich Europa gegenüber Nordamerika und Asien behaupten, ist es auf eine enge Zusammenarbeit aller Länder angewiesen. Schliesst die EU die erfolgreiche Schweizer Forschung aus, schwächt sie die europäische Forschung.

SwissCore: Verbindung mit Brüssel

Seit 1995 wirkt SwissCore als Verbindungs- und Informationsbüro in Brüssel. Das Team setzt sich unter anderem für die Beteiligung der Schweizer Forschungsakteure an den europäischen Rahmenprogrammen ein. Träger von SwissCore sind das SBFI, der SNF und Innosuisse.