Gute Arbeit – beim Austausch mit dem Parlament zulegen

In Bundesbern sei der SNF zu wenig präsent, sagen Christine Bulliard-Marbach und Felix Müri von der nationalrätlichen Wissenschaftskommission (WBK) übereinstimmend. Bei der Frage, wie viel Geld für die Forschungsförderung realistisch ist, gehen die Meinungen auseinander.

Christian von Burg: Wie macht der Schweizerische Nationalfonds seine Arbeit? Was geben Sie Herrn Egger für eine Note?

Felix Müri: Auf einer Skala von 1 bis 10 – eine 8. Der Nationalfonds ist eine wichtige Institution. Und die Verteilung der Gelder scheint gut zu funktionieren. Aber wir Parlamentarier hören wenig von Ihnen, Herr Egger. Laden Sie uns ein! Wenn Sie ein Problem haben, melden Sie sich! Aber nicht erst, wenn es in unserer Kommission um die entscheidende Diskussion geht, wie viel Geld der Bund investieren soll für die nächsten vier Jahre in Forschung und Innovation. Melden Sie sich schon vorher – dann kriegen Sie nächstes Jahr Note 10 (lacht).

Matthias Egger: Herr Müri, auch ich würde Sie gerne einladen! Kommen Sie mal an eine Evaluationssitzung, an der wir beraten, welche Forschungsprojekte wir finanziell unterstützen wollen – welche nicht. Das ist anspruchsvoll. Wir müssen das beste Projekt identifizieren, ohne uns von anderen Faktoren leiten zu lassen.

Christine Bulliard-Marbach: Da komme ich auch gerne vorbei! Denn ich sehe es wie Herr Müri: Der Nationalfonds macht einen guten Job, Herr Egger, aber beim Austausch mit uns Parlamentariern können Sie noch zulegen.

«Die Frau erhält das Geld, wenn sie gut ist, wenn ihre Forschung exzellent ist.»

Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach

Werden die Fördergelder des SNF gerecht verteilt? Der Anteil an Frauen etwa, der gefördert wird, der ist zwar stetig gewachsen, ist aber deutlich geringer als der Anteil der Männer. Ist das ein Problem?

Bulliard-Marbach: Soweit ich das sehe, ist die Gender-Frage ein wichtiges Anliegen des Nationalfonds. So wie Sie sich bemühen, junge Forscherinnen und Forscher zu fördern, so versuchen Sie auch die Frauen zu fördern. Sie haben dazu ja spezielle Förderinstrumente.

Egger: Ja, und trotzdem haben wir in der Wissenschaft noch immer ein Problem bei der Gleichstellung. Auf der Stufe der Doktorierenden arbeiten an den Unis mehr Frauen als Männer – zumindest in den Life Sciences, in der Biomedizin und in den Sozialwissenschaften. Verfolgen wir die wissenschaftlichen Laufbahnen aber weiter, so schrumpft die Zahl der Frauen. Am Schluss, bei den Professuren, haben wir noch etwa 20 Prozent Frauen, bei den MINT-Fächern sogar nur 10 Prozent. Das ist nicht gut und schwächt die Innovationskraft der Schweizer Forschung. Wir überdenken deshalb jetzt die Vergabekriterien, zum Beispiel die Mobilitätskriterien. Für Frauen mit kleinen Kindern ist es nicht einfach, mal schnell ins Ausland zu wechseln. Aber beim Problem der Gleichstellung ist auch die Politik gefordert.

Bulliard-Marbach: Das ist ein Problem und das Parlament ist schon lange dran. Zum Beispiel mit der Anstossfinanzierung für neue Krippenplätze.

Müri (schalkhaft): Die stossen wir jetzt schon lange an.

Bulliard-Marbach: Ja, aber die Krippenplätze sind wichtig, wenn wir bei der Gleichstellung vorwärtskommen wollen.

Müri: Wir sprechen jetzt aber über den Nationalfonds, und der hat einen klaren Auftrag für die Forschungsförderung, nicht für die Gleichstellungspolitik.

Egger: Doch, dieser Punkt ist im Bundesgesetz über die Förderung der Forschung sogar explizit erwähnt. Wir haben den Auftrag, die Frauen in der Forschung zu fördern. Aber wir merken, dass wir mit den Hebeln, die uns zur Verfügung stehen, nicht sehr weit kommen.

Müri: Aber heisst das nun, wenn ich zwei Projekte habe und mir geht das Geld zur Forschungsförderung aus – heisst das dann, die Frau bekommt das Geld?

Egger: Nein, das heisst es sicher nicht.

Müri: Das wollte ich hören!

Bulliard-Marbach: Die Frau erhält das Geld, wenn sie gut ist, wenn ihre Forschung exzellent ist. Nur dann bekommt sie es.

Müri: Einverstanden.

«Wir haben den gesetzlichen Auftrag, die Frauen in der Forschung zu fördern.»

Matthias Egger

Herr Egger, ein weiteres Anliegen, für das sich der Nationalfonds schon länger einsetzt, ist die freie Zugänglichkeit der Forschungsresultate, also Open Access. Sie wollen, dass alle Resultate aus öffentlich finanzierter Forschung für alle kostenlos zugänglich sind. Heute trifft dies erst auf 50 Prozent der vom SNF geförderten Projekte zu – warum geht das so langsam?

Egger: Im internationalen Vergleich sind 50 Prozent sehr gut. Aber es geht tatsächlich nicht an, dass Forschungsresultate, die mit öffentlichen Geldern zustande gekommen sind, hinter den Bezahlschranken grosser Verlage verborgen bleiben. Das wollen wir ab 2020 gänzlich verhindern, das haben wir uns zum Ziel gesetzt.

Bulliard-Marbach: Open Access ist eine wichtige Sache, das findet die WBK auch.

Egger: Aber was in der Schweiz fehlt, ist ein Zweitveröffentlichungsrecht, wie es andere Staaten haben. Dieses Recht würde den Forschenden eine viel stärkere Position geben gegenüber den Verlagen. Die Forschenden hätten das Recht, ihre Resultate sowohl in den kostenpflichtigen Zeitschriften wie auch frei zugänglich zu publizieren. Wir wären froh, wenn Sie das in der Kommission diskutieren könnten und einen entsprechenden Antrag stellen würden.

Bulliard-Marbach: Ich nehme das gerne auf (macht eine Notiz) – sehen Sie, ich habe es notiert.

Egger: Aber ich bin doch schon einmal bei Ihnen gewesen und habe genau das gesagt! Nur hat die Kommission das Anliegen dann nicht aufgenommen.

Müri: Dann müssen Sie nachfassen, das gehört in der Politik dazu! Wir schauen dann, was es kostet.

«Wenn ich zwei Projekte habe und mir geht das Geld zur Forschungsförderung aus – bekommt dann die Frau das Geld?»

Nationalrat Felix Müri

Apropos Kosten: Die Ausgaben des Nationalfonds haben sich in den letzten zwölf Jahren verdoppelt – auf eine Milliarde Franken pro Jahr. Für die nächste Vierjahresperiode ab 2021 werden Sie wohl noch mehr Geld verlangen, Herr Egger, warum?

Egger: Wir müssen unbedingt unser derzeitiges Finanzierungsniveau zumindest halten oder noch besser erhöhen, denn die Konkurrenz schläft nicht. China investiert enorm in die Forschung. Und die EU hat das Ziel, ihren Forschungsetat zu verdoppeln. Wenn wir an den Forschungsprogrammen der EU weiter teilhaben wollen, dann kommt die Schweiz auch dort um eine Aufstockung der Gelder nicht herum.

Müri: Da hat Herr Egger Recht. Solange beide Seiten profitieren wie beim Forschungsprogramm Horizon 2020, ist das eine gute Sache. Ich bin nicht gegen die Forschungsförderung der EU. Ich bin aber gegen Hüst und Hott bei der Geldvergabe im Parlament. Wenn man mal abgemacht hat, für die nächsten vier Jahre gibt’s so und so viel Geld, dann muss man sich daran halten. Aber ich denke auch, dass es in der nächsten Vierjahresperiode eine gewisse Erhöhung braucht.

Die offizielle Linie der SVP lautet aber so: Forschung wird nicht gefördert, indem man einfach mehr Geld reinpumpt.

Müri: Ich vertrete da eine andere Linie. Wir haben unterschiedliche Ansichten innerhalb der Partei, was auch gut ist. Ich habe Mühe damit, wenn die Finanzkommission sich bei uns in der WBK zu fest einmischt.

«Wenn wir als Wissensstandort Schweiz bestehen wollen, müssen wir bei der EU-Forschungsförderung mitmachen.»

Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach

Frau Bulliard-Marbach, auch die CVP ist in diesen Fragen oft gespalten.

Bulliard-Marbach: Ja, das stimmt. Und ich kämpfe jedes Mal wie eine Löwin um die Stimmen in meiner Partei, denn der Forschungsplatz Schweiz ist zentral.

Für mich ist klar: Wenn die Schweiz im internationalen Wettbewerb dabei sein will, bleibt ihr nichts anderes übrig, als die entsprechenden Gelder in den EU-Fördertopf einzuzahlen, zusätzlich zum Geld für den Nationalfonds.

Müri: Ja, und dann kommt es wieder so weit, dass der Bundesrat sagt: «Halt, stopp. Jetzt müssen wir so viel mehr in den EU-Fördertopf einschiessen, dass sich das nicht mehr lohnt.» Hier stellt sich eben die Grundsatzfrage: Entscheiden wir über die Höhe unserer Forschungsförderung oder die EU? Ich bin klar der Meinung: Wir sollten selber entscheiden.

Bulliard-Marbach: Sehen Sie, Herr Müri: Wenn wir als Wissensstandort Schweiz bestehen wollen, dann können wir uns nicht überlegen, ob wir bei der EU-Forschungsförderung mitmachen wollen oder nicht, dann müssen wir es.

Egger: Was ganz wichtig ist: Wenn die Schweiz beim nächsten europäischen Forschungsprogramm Horizon Europe eine Voll-Assoziierung hat, dann wäre es sehr kurzfristig gedacht, das Geld, das sie mehr in den europäischen Topf einzahlt, einfach bei der nationalen Forschungsförderung zu kürzen. Denn es zeigt sich: Länder, die auf der nationalen Ebene eine gute Forschungsförderung haben, die sind auch auf der europäischen Ebene erfolgreich und holen so einen grossen Teil der Gelder aus dem gemeinsamen Topf wieder zurück.

«Israel gibt deutlich mehr für die Forschung aus als die Schweiz. Wir haben also noch Luft nach oben.»

Matthias Egger

Aber irgendwo kommt ja doch die Grenze, wo der Bund sagen muss «So viel Fördergeld gibt es, mehr nicht.» Wo liegt diese Grenze?

Egger: Nehmen wir das Silicon Valley: Dort wird rund dreimal so viel Geld in die Forschung investiert wie hierzulande. Oder Israel als ganzes Land gibt deutlich mehr aus als die Schweiz. Wir haben also noch Luft nach oben.

Müri: Aber die Forschungsförderung wird nicht von einem Tag auf den anderen viel mehr Geld vom Bund erhalten. Das ist einfach nicht realistisch. Alle Politikbereiche kämpfen um mehr Geld.

Bulliard-Marbach: Ja, ich denke, wie am Anfang gesagt, Sie müssen wirklich häufiger in der Kommission vorbeischauen und uns Politikerinnen und Politikern die Zusammenhänge verdeutlichen; das stärkt die Position des Nationalfonds und der Forschungsförderung.

«Die Forschungsförderung wird nicht von einem Tag auf den anderen viel mehr Geld vom Bund erhalten. Das ist nicht realistisch.»

Nationalrat Felix Müri

Herr Egger, müssen Sie lernen, in Bundesbern besser zu lobbyieren?

Egger: Ich würde es nicht lobbyieren nennen. Wir wollen informieren, präsentieren, argumentieren. Das werden wir sehr gerne machen.

SNF trifft WBK-N

Am Gespräch teilgenommen haben:

  • Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach (CVP, Freiburg), Präsidentin der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats (WBK-N)
  • Nationalrat Felix Müri (SVP, Luzern), Mitglied der WBK-N
  • Matthias Egger, Präsident des Nationalen Forschungsrats des SNF
  • Gesprächsleiter: Christian von Burg, Wissenschaftsjournalist bei Radio SRF

WBK-Kommissionen

Im Bundesparlament sind die Kommissionen für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) des Nationalrats und des Ständerats für die Forschungsförderung zuständig. Die WBK des Nationalrats besteht aus 25 Mitgliedern, diejenige des Ständerats aus 13 Mitgliedern. Die Kommissionen bereiten die Parlamentsgeschäfte vor und stellen den Räten Anträge. Darüber hinaus verfolgen sie die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in ihrem Zuständigkeitsbereich.