«Repositorium ist keine Konkurrenz»

Ab 2020 sollten 100 Prozent der Publikationen aus SNF-finanzierter Forschung frei zugänglich sein – also Open Access (OA). Dieses Ziel erreicht der SNF nicht. Matthias Egger, Präsident des Nationalen Forschungsrats, nennt Gründe.

2019 waren erst 50 Prozent der Publikationen Open Access. Hat der SNF zu wenig unternommen?

Wir fördern Open Access schon lange. Seit 2008 sind die Forschenden dazu verpflichtet. Wir haben oft informiert und gute Bedingungen geschaffen, aber das genügt nicht.

Warum?

Ein wichtiger Grund: Manche wissenschaftlichen Zeitschriften erlauben es nicht, den Artikel spätestens nach sechs Monaten frei zugänglich zu machen. Der SNF hat deswegen Ende 2019 den grossen Verlagen einen offenen Brief geschickt. Denn es spricht nichts dagegen, Artikel innerhalb dieser sechs Monate in digitalen Repositorien abzulegen. Ein Repositorium ist nur eine Ablage, während eine Zeitschrift eine Plattform ist, auf der sich Forschende austauschen – ich sehe hier keine Konkurrenz.

Das Problem existiert bei den OA-Zeitschriften nicht. Ihre Artikel sind sofort kostenlos verfügbar. Was aber, wenn solche Zeitschriften fehlen?

Dies dürfte höchstens in wenigen Subdisziplinen der Fall sein. Die Erfahrung zeigt, dass unsere Gesuchstellenden in jeder Disziplin in OA-Zeitschriften publizieren können. Natürlich besteht nicht überall die gleiche Auswahl. Deshalb sollte es im Rahmen der nationalen OA-Strategie möglich sein, alternative Formen der Publikation zu fördern. Ein Beispiel dafür ist die Umwandlung von kostenpflichtigen Abonnementszeitschriften in OA-Zeitschriften.

Gibt es weitere Gründe, warum der SNF das Ziel von 100 Prozent nicht erreicht?

Viele Forschende vergessen, ihren Artikel öffentlich abzulegen, selbst wenn die Zeitschrift es erlaubt. Sie denken den freien Zugang nicht von Beginn an mit.

Neu muss dieser standardmässig Teil des Publikationsprozesses sein.

Was kann der SNF dazu beitragen?

Den Kulturwandel treiben wir mit verschiedenen Massnahmen voran. Dazu gehört die Finanzierung von Artikeln in OA-Zeitschriften sowie von OA-Büchern und -Buchkapiteln. Und seit Sommer 2019 weisen wir die Forschenden darauf hin, wenn ihre Publikationen nicht frei zugänglich und auffindbar sind.

Mit dem Plan S will die EU ebenfalls 100 Prozent Open Access herbeiführen. Der SNF hat ihn nicht unterschrieben.

Wir unterstützen grundsätzlich den Plan S, bieten aber den Forschenden mehr Optionen: Sie haben sechs Monate Zeit, um ihre Publikation in einer öffentlichen Datenbank abzulegen. Der Plan S hingegen verfolgt das Ziel, sämtliche Publikationen sofort verfügbar zu machen.

Was verändert sich, wenn Ergebnisse aus staatlich finanzierter Forschung frei zugänglich sind?

Die Wirtschaft und die öffentliche Hand setzen die Ergebnisse rascher um. Die Gesellschaft nimmt dank dem Zugang zu Informationen am wissenschaftlichen Diskurs teil; Forschung wird so vermehrt kritisch reflektiert. Daraus ergeben sich neue Fragen und Methoden. Dies alles verstärkt die Wirkung der Wissenschaft.

Beiträge an Open-Access-Publikationen

Mit schlanker Administration und umfassender Finanzierung erleichtert es der SNF den Forschenden, ihre Resultate frei zugänglich zu publizieren. Auf der Open-Access-Website erhalten sie alle Informationen: https://oa100.snf.ch.