Via Businessplan vom Labor in die Welt

Auf Basis eines Forschungsprojekts selber ein Unternehmen gründen? Entscheidend ist nebst Geld und Rat vor allem eines: unbedingter Enthusiasmus. Das zeigen drei Beispiele, die vom SNF gefördert werden.

Am Anfang hat mich das Thema als eines von vielen interessiert», sagt Michail Kyriazopoulos, «doch als sich abzeichnete, welchen gesellschaftlichen Nutzen unsere Forschung in der realen Welt tatsächlich bringen kann, habe ich regelrecht Feuer gefangen.» Seit mehreren Jahren forscht Michail Kyriazopoulos an einem neuartigen Baumaterial, das auf Kokosfasern basiert. Begonnen hat er als Masterstudent in einem Projekt des r4d-Programms des SNF und der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit des Bundes (DEZA). Das Programm fördert die wissenschaftliche Kooperation mit Entwicklungs- und Schwellenländern. Die Forschung an der Berner Fachhochschule erzielte gute Resultate, die praktische Anwendbarkeit schien gegeben. «Das von uns entwickelte Material eignet sich geradezu ideal für den sozialen Häuserbau in südlichen Ländern», erklärt Michail Kyriazopoulos. «Etwa auf den Philippinen, wo es sich vor Ort sehr günstig aus Agrarabfällen herstellen lässt.»

BRIDGE finanziert Brückenschlag

Doch ganz so einfach ist die Anwendung nicht. Von alleine findet keine Entdeckung ihren Weg aus dem Labor in die reale Welt. Es braucht Leute, die die Entdeckung bekannt machen und für ganz bestimmte Zwecke anpassen. Auch Herstellung und Vertrieb wollen organisiert sein. Kurz: Zu den wissenschaftlichen Grundlagen muss sich unternehmerisches Handeln gesellen.

Deshalb feilt Michail Kyriazopoulos derzeit an einem Businessplan, baut mit lokalen Partnern auf den Philippinen eine Produktionsstätte auf, präsentiert die Idee möglichen Schweizer Industriepartnern und optimiert gleichzeitig die unter dem Namen Cocoboards lancierten Bauplatten. Dabei unterstützen ihn der SNF und Innosuisse, die Schweizerische Agentur für Innovationsförderung, mit einem BRIDGE-Beitrag. Dieser ermöglicht es jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, ihre Idee zeitlich begrenzt zu testen und für den Markt weiterzuentwickeln.

Angelika Kalt, Direktorin des SNF, sagt: «Wenn Forschende mit ihren Erkenntnissen selber eine Firma gründen, tragen sie wissenschaftliche Resultate direkt in die Wirtschaft und die Gesellschaft. In diesem Sinne nehmen Start-ups und Spin-offs von Hochschulen eine wichtige Brückenfunktion ein.» Doch der Weg ist anspruchsvoll, und ihn erfolgreich zu gehen braucht mehr als Geld, das für einige Zeit das Überleben des neuen Keims sichert. «Einen festen Bestandteil der BRIDGE-Förderung bilden deshalb auch Coachings und Kurse zu wirtschaftlichen Aspekten», so Angelika Kalt. «Hierbei sind die Expertise und Erfahrung von Innosuisse zentral.»Bottom-up-Kultur und die Bereitschaft zur Kooperation», erklärt Dirk van der Marel, Vizepräsident des Fachausschusses Interdisziplinarität des SNF-Forschungsrats.

Die Gretchenfrage

Wie wichtig dieses Praxis-Know-how ist, weiss Jagdish Achara. Er ist mit der Firma Gridsteer an dem Punkt, den Michail Kyriazopoulos anstrebt: Das Unternehmen ist gegründet. Gridsteer vereint Soft- und Hardware zu intelligenten Systemen, die den Stromfluss in regionalen Verteilungsnetzen regeln. Das Bedürfnis danach entstand, weil immer mehr neue erneuerbare Energiequellen wie Wind- und Solaranlagen in lokale Netze integriert werden. Die Technologie von Gridsteer geht auf zwei Projekte des Nationalen Forschungsprogramms «Energiewende» (NFP 70) des SNF an der EPF Lausanne zurück; in einem war Jagdish Achara als Postdoktorierender dabei. «Wir dachten überhaupt nicht an eine kommerzielle Nutzung», erzählt er, «bis uns eine Firma kontaktierte. Sie sagten: Euer System ist interessant. Können wir es einsetzen?» Doch selbst mit dieser Ausgangslage sei ein funktionierendes Geschäftsmodell zunächst nicht klar ersichtlich gewesen. «Die Ausrichtung auf den Markt verlangte von mir als Wissenschaftler einen komplett neuen Blickwinkel», sagt Jagdish Achara. «Denn im Geschäft ist die wichtigste Frage: Wie generiert unser Produkt Geld? Und zwar nicht einmal, sondern wiederholt.»

«In der Regel gibt es das Problem, für das man die Lösung schon hätte, so gar nicht.»

Jagdish Achara, Gridsteer

Fokus, Fokus, Fokus

Dieser Frage hat sich Jagdish Achara, genau wie Michail Kyriazopoulos, dann in Start-up-Trainings von Innosuisse gestellt. Und gemerkt, dass sie nicht so einfach zu beantworten ist. «Denn in der Regel gibt es das Problem, für das man die Lösung schon hätte, so gar nicht», sagt er. Vielmehr zeige erst die genaue Analyse der Marktbedürfnisse auf, wie ein Angebot ausgestaltet werden muss, damit man es in der Praxis tatsächlich anwenden kann.

Umgekehrt hat es Franziska Mathis-Ullrich erlebt. Sie ist Mitbegründerin von Ophthorobotics, einem Start-up, das ein vollautomatisiertes System für medizinische Injektionen ins Auge realisiert. Die Idee dazu entwickelte die Robotikerin, damals an der ETH Zürich tätig, zunächst in Gesprächen mit Augenärztinnen und -ärzten. Diese traten mit einem genau definierten Problem aus der Praxis an sie heran: Da die Patientenzahlen wegen der älter werdenden Bevölkerung steigen, wünschten sie sich eine Automatisierung des Eingriffs. Dessen Qualität sollte dabei mindestens auf dem aktuellen Niveau gewährleistet bleiben. «Also haben wir – Robotik-Ingenieurinnen und Ärzte – gemeinsam nach einer Lösung gesucht. »

«Es stellen sich Fragen vom Businessplan über geistiges Eigentum bis hin zu Logistik und Steuern.»

Franziska Mathis-Ullrich, Ophthorobotics

Am Horizont das Versprechen

Auch bei Ophthorobotics zeigte sich, dass ein erfolgreicher Markteinstieg viel Zeit und Mühe erfordert. «Es stellten sich Fragen vom Businessplan über geistiges Eigentum bis hin zu Logistik und Steuern», sagt Franziska Mathis-Ullrich. «Glücklicherweise konnten wir unterstützt durch einen BRIDGE-Förderbeitrag von SNF und Innosuisse die Zeit nutzen, um parallel zur technischen Entwicklung die geschäftliche Seite besser verstehen zu lernen und so späteren Fehlern vorzubeugen.»

Angebote wie BRIDGE sind für viele forschungsbasierte Start-ups und Spin-offs eine wichtige Anschubhilfe. Doch der entscheidende Erfolgsfaktor ist und bleibt der unbedingte Einsatz und Enthusiasmus der Gründerinnen und Gründer – für die wissenschaftliche wie für die geschäftliche Seite.

Michail Kyriazopoulos, Jagdish Achara und Franziska Mathis-Ullrich können alle von der enormen Arbeitsbelastung erzählen, die das Start-up-Projekt mit sich bringt. Von intensiven Zeiten, in denen sie unzählige Fäden zusammenhalten, gleichzeitig verschiedenste Rollen einnehmen und in eine ungewisse Zukunft blicken. Sie alle berichten aber auch, wie erfüllend das Abenteuer ist. Michail Kyriazopoulos sagt: «Der Aufwand ist gross. Man muss sich seinem Projekt zu 100 Prozent verschreiben. Doch wenn uns der Markteintritt gelingt, trägt unsere Forschung ganz konkret zu einer besseren Welt bei.»

«Wenn uns der Markteintritt gelingt, tragen wir zu einer besseren Welt bei.»

Michail Kyriazopoulos, Cocoboards