Initiative Lokalmedien trotzen dem Trend

Das Internet hat die Presse in eine tiefe Krise gestürzt. Nathalie Pignard- Cheynel analysiert, mit welchen digitalen Mitteln Lokalmedien die Nähe zur Leserschaft suchen.

Für Nathalie Pignard-Cheynel ist klar: «Die Medien sind ein zentraler Bestandteil unserer Demokratie. Sie informieren nicht nur, sondern tragen auch zur Meinungsbildung bei.» Aber die Presse befindet sich in einer schwierigen Phase: Einbruch der Einnahmen, schwindendes Vertrauen der Bevölkerung und Konkurrenz durch die sozialen Medien.

Wie setzen die Lokalmedien digitale Mittel ein, um ihre Beziehungen zur Leserschaft zu festigen? Dies untersucht die Forscherin in ihrem Projekt, das der SNF im Rahmen der Förderungsmassnahme «Digital Lives» unterstützt. «Die Wissenschaft hat sich vor allem mit grossen Medienhäusern beschäftigt und die Lokalmedien vernachlässigt. Dabei haben diese eine wichtige Funktion für die Stiftung einer gemeinschaftlichen Identität. Und manche sind sehr innovativ», betont die Assistenzprofessorin für digitalen Journalismus der Universität Neuenburg.

Digitale und analoge Massnahmen

Seit 2019 analysiert Nathalie Pignard-Cheynel gemeinsam mit anderen Forschungsteams über 300 Aktionen von Lokalmedien in der Schweiz, in Frankreich und in Belgien. Die Redaktionen tragen ihre Angaben selber in ein Online-Formular ein. Alle Daten sind frei zugänglich. «Diese Offenheit macht das Projekt sichtbar und motiviert die Medien zur Teilnahme.»

Einige der Aktionen sind rein digital, so der Chatbot von «La Liberté» in Freiburg, der Hashtag # BalanceTonTaudis, den «La Marseillaise» als Antwort auf den Zerfall von Gebäuden kreierte, oder Facebook-Gruppen zum Thema null Abfall. Aber die Forscherin war überrascht von den vielen klassischen Massnahmen: Redaktionssitzungen im Café, öffentliche Diskussionen oder ein Zeitungsmobil auf dem Markt. In diesen Fällen dienen digitale Mittel als Ergänzung, um Diskussionen online fortzusetzen.

Langfristige Strategie?

Im zweiten Teil des Projekts wird Nathalie Pignard-Cheynel verschiedene Fragen vertieft analysieren, in ausführlichen Gesprächen mit einem Dutzend Lokalmedien. Sind deren Aktionen nur eine punktuelle Reaktion? Oder bilden sie Teil einer nachhaltigen Veränderung der Redaktionsstrategie? «Ich will auch herausfinden, ob es einfach um eine Neuauflage des partizipativen Journalismus geht. Oder entwickeln die Medien einen engagierten, nach Lösungen suchenden Journalismus, der eine noch aktivere gesellschaftliche Rolle übernehmen will?» Das Projektteam stellt die Resultate seiner anwendungsorientierten Forschung an Fachtagungen vor. «Wir analysieren in erster Linie die heutige Situation und die Wirkung der Aktionen», sagt Nathalie Pignard-Cheynel. «Aber wir möchten auch mithelfen, gute Beispiele weiterzuentwickeln und bekannt zu machen. Im Lokaljournalismus ist das Geld für Innovationen knapp. Wenn wir Unterstützung leisten können und damit auch einen Beitrag zur demokratischen Gesellschaft, so freut mich das.»