«Die Wissenschaft ist imstande, Gegensteuer zu geben»

Zehn Jahre hat Daniel Höchli erfolgreich die Geschäftsstelle des SNF geführt. Trotz Krisensymptomen­ des Wissenschaftssystems ist er zuversichtlich.

Herr Höchli, Sie blicken auf eine pros­perierende Amtszeit als Direktor zurück: Der Nationalfonds ist stark gewachsen. Welche Entwicklung erfüllt Sie beson­ders mit Stolz?

Ein Wirtschaftsvertreter im Stiftungsrat hat mir einmal gesagt, die Geschäftsstelle werde wie ein gutes Unternehmen geführt. Dass sie unter meiner Direktion moder­nisiert und effizienter wurde, erfüllt mich mit Genugtuung. Die fruchtbare Ent­wicklung der Förderungspolitik dagegen ist primär auf das Präsidium des Forschungsrats zurückzuführen.

Wie haben Sie es geschafft, der Politik das Geschäft der Wissenschaft – Investitionen ohne Erfolgsgarantie – zu verkaufen?

Da sind zunächst die externen Faktoren: Die exzellenten Schweizer Hochschulen schaffen ein positives Klima, ein Grossteil der Wirtschaft versteht die Bedeutung der Grundlagenforschung. Der SNF selbst hat der Politik gezeigt, dass er mit dem Geld verantwortungsvoll umgeht und betrügerisches Verhalten ahndet. Und er hat Verständnis gezeigt, dass die Politik nicht alle Wünsche erfüllen kann. Der Forschungsplatz Schweiz ist sehr wichtig, aber es gibt auch andere berechtigte Anliegen.

Die fetten Jahre der Forschungsfinan­zierung sind vorbei. Was heisst das für den Nachwuchs?

Wir müssen über die Bücher: Wir können nicht alle Punkte des nächsten Mehr­jahresprogramms umsetzen. Doch der Nachwuchs geniesst nach wie vor Priorität. Wir richten die Förderungsinstrumente so ein, dass talentierte Forschende früher unabhängig werden.

Das Wissenschaftssystem steckt in einer Krise: Die Quantität ist oft wichtiger als die Qualität der Ergebnisse. Stimmen Sie der Diagnose zu?

Von Krise zu reden, ist übertrieben. Aber Fehlanreize wie der zu hohe Publikations­druck sind unübersehbar. Nicht zuletzt die Life Sciences produzieren zu viele Resultate, die sich als nicht reproduziert erweisen – wobei zu bedenken ist, dass das Reproduzieren von Experimenten mit Organismen anspruchsvoll ist. Mit der Unterzeichnung der DORA-Deklaration hat der SNF bereits Gegensteuer gegeben. Zuversichtlich stimmt mich, dass die Debatte­ von der Wissenschaft selbst an- gestossen wird. Sie ist imstande, Gegensteuer zu geben.

Wenn Sie zaubern könnten: Was würden Sie am Forschungsplatz Schweiz ändern?

Die Arbeitsbedingungen für den Nachwuchs müssen verbessert werden – Stichworte Berufsberatung, Leistungsevalua­tionen, Assistenzprofessuren mit Tenure Track. Es darf nicht sein, dass Leute mit Mitte 40 aussortiert werden, die frustriert sind und sich einen neuen Beruf suchen müssen.